Wer heutzutage ein Unternehmen führt, oder im Management eines Unternehmens arbeitet, kommt unweigerlich früher oder später mit ERP-Systemen wie SAP S/4HANA und darüber hinaus mit der Transformation solcher ERP-Systemen in Berührung. Bestätigt wird dies durch eine Studie von Deloitte aus dem Jahr 2020, dass etwa 60 % der deutschen produzierenden Unternehmen in den letzten fünf Jahren entsprechende Veränderungs-Initiativen durchgeführt haben:
1. Gehören Sie zu den verbleibenden 40 %, oder beschäftigen Sie sich mit der 2. Welle nach der initialen Transformation (Optimierungs- / Stabilisierungsphase)? Dann sollten Sie auf jeden Fall weiterlesen.
Vereinheitlichung von Businessprozessen, Resilienz bei Störungen, maximale Skalierbarkeit, Steigerung von Produktivität, Harmonisierung und Echtzeit-Reporting sind nur einige Stichworte, die mit einer Systemtransformation assoziiert werden können. Und auch wenn Veränderungs-Initiativen oftmals wirtschaftlich sinnvoll und insbesondere perspektivisch im Hinblick auf die immer weiter fortschreitende Digitalisierung und internationale Vernetzung sogar noch wichtiger werden, gibt es einige Gründe, warum Unternehmen auch „Nein, nicht jetzt“ zu umfassenden Transformationen sagen können und nicht in ein neues System investieren sollten.
Einige Impulse, welche das sind und worauf Sie bei einem (Nicht-)Wechsel achten können, erfahren Sie in diesem Artikel.
- Auf dem Markt sind heutzutage die verschiedensten ERP-Systeme zu finden. Manche sind bereits erfolgreich in der Praxis getestet worden und umfangreich implementiert. Andere sind neuer und scheinen auf den ersten Blick fortschrittlicher, mit noch größerem Nutzen und schicken User Interfaces (UIs), sowie geringeren Implementierungs- und Betriebskosten. Diese Systeme können auf den ersten Blick wie die „Eierlegende-Wollmilch-Sau“ wirken, doch der Schein kann trügen. Zum Teil sind diese Systeme noch nicht ausgereift genug, um in der Praxis eingesetzt zu werden und sind dadurch unter Umständen noch mit diversen Kinderkrankheiten belastet. So haben sie häufig noch keinen vollumfänglichen (end-to-end) Funktionsumfang und es gibt keine belastbaren Best Practices oder Referenzprozesse, auf die man sich bei der Implementierung stützen kann. Auch am Beratungsmarkt gibt es hierzu häufig noch kein verfügbares Know-how, das genutzt werden kann.
- Doch gleich, ob Sie ein neues oder ein bereits bewährtes System bei sich etablieren wollen: Sie sollten eine klare (Unternehmens-)Strategie entwickelt haben. Was ist Ihre Vision, welche Ziele wollen Sie in Zukunft erreichen? Welche Schritte sind dafür notwendig und welche Hindernisse müssen hierzu beseitigt werden? Ein Investment in ein neues System ohne klare Strategie und klares Ziel kann viele Kosten erzeugen, die Sie einfach vermeiden könnten. Darüber hinaus können Sie erst entscheiden, wie stark Sie sich Ihre Strategieumsetzung einpreisen lassen wollen, wenn Sie auch tatsächlich eine Strategie besitzen. Dann lässt es sich leichter einschätzen, in welchen Bereichen Sie Prioritäten setzen sollten und wo es sich wirklich lohnt, Ressourcen zu investieren. Es können bessere Entscheidungen getroffen werden, ob auftauchende Herausforderungen sofort gelöst werden müssen, oder die Lösung vorerst hintenangestellt werden kann. Viele Organisationen implementieren vorschnell neue Tools, die Probleme aus dem Weg räumen sollen, obwohl sich viele dieser Hindernisse auch mit bereits existierenden, aber nicht oder nicht ausreichend eingesetzten Funktionen hätten lösen lassen. Nicht immer ist also ein Investment in neue Tools tatsächlich notwendig.
Gerade im Hinblick auf Investitionen und den damit verbundenen Kosten lassen sich verschiedene Facetten betrachten: Denn auch wenn Umstellungen der Kernsysteme häufig langfristig mit dem Ziel der Kosteneinsparungen verbunden sind, da Prozesse z.B. verbessert und mangelhafte Schnittstellen abgebaut werden, sollte die Kostenbelastung einer kompletten Transformation nicht falsch eingeschätzt werden.
- Zusammenfassend haben wir hier in diesem Bereich die sogenannten „Total Costs of Ownership“ (TCO). Diese umfassen alle Kosten, die durch die Anschaffung, Instandhaltung und Wartung, sowie die Entsorgung eines Systems entstehen. Während Sie bei umfassend erprobten und in der Praxis etablierten Systemen gut kalkuliert werden können, sind sie bei neu auf dem Markt erschienenen Systemen häufig nicht klar abzuschätzen, da die Technologie noch in den Kinderschuhen steckt und es wenig, bis keine Referenzdaten gibt. Falls Sie eines dieser neu erschienenen Produkte als potenziell für sich relevant betrachten, sollten Sie besser noch einige Zeit warten, bis die Technologie weiter entwickelt wurde und Sie sicher sein können, dass das System auch wirklich funktioniert. Erst Proofs of Concept und Pilotprojekte können die Sicherheit schaffen, dass neue Technologien und Anbieter das Erwartete und Versprochene halten und die TCO fundiert kalkuliert werden können. Oder Sie setzen von vorneherein auf (vielfach) erfolgreich eingeführte und etablierte Software, um diese Probleme zu umgehen.
- Die TCO lassen sich aber noch in kleinere Blöcke unterteilen. Ein Teil hiervon sind die Kosten, die ausschließlich mit der Systemtransformation verbunden sind, die auch als „Costs of Change“ bezeichnet werden. Sie unterscheiden sich je nach System und individuellen Voraussetzungen eines Unternehmens. Beeinflusst werden sie zum Beispiel von der Ähnlichkeit des neu zu etablierenden Systems mit dem bereits verwendeten. Denn je ähnlicher sich die beiden Software-Lösungen mit ihren individuellen Abläufen sind, umso geringer ist das Ausmaß, in dem sich die Mitarbeitenden auf das neue System umstellen müssen. Umso schneller kann demnach eine solche Transformation gelingen, was wiederum Einfluss auf die Höhe der Kosten nimmt. Je unterschiedlicher zwei Systeme sind, umso intensiver muss zudem während der Transformation verprobt und somit auch mehr dokumentiert werden. Doch nicht nur die Ähnlichkeit der Systeme, sondern auch die Größe der Organisation oder die grundlegende Veränderungsbereitschaft der Mitarbeitenden beeinflussen die Costs of Change und die Wahrscheinlichkeit einer flüssig ablaufenden Transformation. Denn um eine Transformation erfolgreich meistern zu können, müssen Sie einen gewissen Prozentsatz Ihrer Angestellten von der Sinnhaftigkeit der Veränderung überzeugen. Wie in allen Bereichen unterscheiden sich Menschen untereinander: so auch im Hinblick auf die Begeisterungsfähigkeit für Veränderungen. Auch Sie werden in Ihren Teams Mitarbeitende haben, die sehr offen und befürwortend Veränderungen gegenüberstehen – während andere in diesen Bereichen eher kritisch eingestellt sind.
- Veranschaulichen lässt sich dies zum Beispiel anhand der Normalverteilungskurve. Im linken Bereich der Kurve (die ersten beiden Felder) befinden sich Change-motivierte Mitarbeiter, und bereit sind, sehr viel Energie zu investieren, um dieses voranzubringen. Das umfasst jedoch häufig nur einen Bruchteil Ihrer gesamten Belegschaft.Am anderen Ende der Verteilung in den beiden Feldern ganz rechts findet sich ein genauso großer Teil, der sich aktiv, zumindest aber passiv gegen die Veränderung stellt. Der größte Teil wird sich jedoch vermutlich in der Mitte wiederfinden. Dieser Teil, mit mehr als der Hälfte Ihrer Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen wird dem Change erst verhalten gegenüberstehen, jedoch bereit sein mitzuwirken, wenn er die Vorteile der Änderung sieht und mit guten Argumenten von dem Nutzen überzeugt wird. Aber hier ist der Knackpunkt: Um diese Bereitschaft zu erreichen, müssen Sie den kleinen Pool an motivierten Mitarbeitenden optimal einsetzen. Nur so erhalten Sie die Basis, um die Übrigen von der Veränderung zu überzeugen. Die magische Grenze für Ihren Erfolg liegt zwischen 15 – 18 %: Erst wenn etwa ein Fünftel Ihrer Belegschaft den Change begeistert unterstützt, kann dieser gelingen. Wenn Sie es jedoch nicht schaffen, dieses Fünftel für eine Veränderung zu begeistern, sollten Sie mit einer Transformation erst einmal warten und herausfinden, was die Begeisterung bremst. War die Kommunikation hinsichtlich der Gründe, Ziele oder auch der Chancen nicht ausreichend? Gibt es gravierende Interessenskonflikte? Brodelt es aus anderen Gründen in Ihren Teams? Würde man mit einem möglicherweise fragilen System einfach so eine tiefgreifende Transformation der ERP-Systeme durchführen, ist ein Scheitern vorprogrammiert. Selbst für stabile Teams können gravierende Umstellungen eine Herausforderung sein, die jedoch mit gutem Change-Management aufzufangen ist. Eine stabile Basis ist jedoch die Voraussetzung dafür. Damit Sie Erfolg haben, muss Ihr Unternehmen also nicht nur technologisch, sondern vor allem organisatorisch und prozessual bereit sein für die Transformation. Ob dies bei Ihnen der Fall ist, können Sie beispielsweise mit einer Change Impact Analyse ermitteln. Hierbei werden Zielvorstellungen mit dem Status Quo abgeglichen und die Bereiche ermittelt, in denen Veränderung stattfinden sollte. Dabei wird nicht nur deutlich, wie groß das Veränderungsvorhaben ist, sondern auch mit welchem zeitlichen und finanziellen Einsatz Sie grob rechnen sollten und welche Schritte unternommen werden müssten, damit der Wandel gelingen kann.
- Ein anderer Teil der TCO sind laufende Betriebskosten, Schulungskosten und zum Teil intransparente Lizenzkosten. Hierbei spricht man von dynamischen Kosten, die häufig auch nicht gut einkalkuliert werden können. In diesem Kontext werden Cloud-Lösungen gerne als die bessere Wahl dargestellt. Sie bieten zweifellos viele Vorteile. Allerdings sind sie häufig langfristig sogar teurer als on-premise-Lösungen, insbesondere wenn ein Unternehmen wächst. Viele Unternehmen machen den Fehler und wechseln vorschnell zu rein cloudbasierten Lösungen, weil sie hauptsächlich von kurzfristigen Zielen geleitet sind. Ein gängiges Argument hierfür ist, dass Cloud-Services in der Implementierung kostengünstiger seien als on-premise-Lösungen. Allerdings kaufen Sie bei cloudbasierten Systemen häufig „das ganze Paket“, auch wenn Sie nicht alles davon benötigen. Dies ist bei on-premise-Lösungen anders: hier können Sie sich die Funktionen zusammensuchen, die für Sie relevant sind – und bezahlen dann natürlich auch nur für die Dinge, die Sie auch wirklich nutzen. Und auch unabhängig von den Anschaffungskosten können die laufenden Kosten bei on-premise-Lösungen im Vergleich zu Cloud-Services sehr viel besser beeinflusst und gemanaged werden. Möglicherweise sind Sie jetzt verwundert, da dies auch bei – oder unter Umständen gerade bei – Cloud-Services mit dem kalkulierbaren Abo-Modell der Fall zu sein scheint. Bei diesen sind Sie jedoch direkt abhängig von der Preispolitik und der Preisgestaltung der Anbieter. Sie müssen mit monatlichen Kosten rechnen, die nicht einfach irgendwann aufhören. Im Gegenteil – häufig steigen sie sogar, wenn das Unternehmen weiterwächst, oder die Inflation die Preise in die Höhe treibt. Somit ist es insgesamt kein guter Antrieb eine Cloud-Lösung zu wählen, wenn Sie eine reine Kostenreduktion anstreben.
Nehmen wir an, dass Ihr Team die Notwendigkeit der Veränderung erkannt hat und Sie aus organisatorischer Sicht „ready for change“ sind. Nehmen wir an, Sie haben zudem auch ein etabliertes ERP-System ausgesucht, bei dem keine großen Überraschungen zu erwarten sind und die gesamten TCOs gut eingeschätzt werden können. Los geht’s also?
Nicht unbedingt! Ein weiterer Fehler, der vermieden werden sollte, ist es, ein System zu wählen, das zwar vielfach erfolgreich eingeführt und etabliert wurde, sich jedoch nicht ausreichend auf Ihr Unternehmen anpassen lässt. Beispielsweise, weil die Ursprünge der Lösung in einer anderen als der Ihren Branche liegen, bestimmte Standards nicht vorhanden sind oder das System nicht zu Ihrer Unternehmensstrategie und Philosophie passt. Schließlich hat jede Organisation ihre eigenen Besonderheiten und kleinen, aber relevanten Details, die den Unterschied machen können, ob ein System passt – oder eben nicht. Wenn beim Fokus auf Innovation und Technologie aus dem Blickfeld rutscht, was das System denn eigentlich hauptsächlich leisten und verbessern soll, kann sich eine Transformation ebenfalls als unsinnig oder gescheitert herausstellen. Der Ansatz sollte nie sein: „Ein System wird unsere Herausforderungen schon irgendwie lösen“. Setzen Sie stattdessen von vorherein auf den Ansatz, herauszufinden, welches System am geeignetsten ist, um in Ihre Unternehmensstrategie einzuzahlen. Im schlimmsten Fall merken Sie ansonsten erst, dass das System einfach nicht zu Ihnen passt, nachdem Sie schon sehr viel Geld und Zeit in die Umstrukturierung gesteckt haben.
Aus diesem Grund lohnt es sich, bereits frühzeitig den Status Quo zu analysieren und das wirklich passende System zu identifizieren . Wenn Sie hierbei noch nicht viel Erfahrung haben, oder kapazitative Engpässe managen müssen, kann sich auch ein Investment in das Know-how einer externen Beratung wie grandega rentieren, um auf lange Sicht sehr viele Kosten einzusparen.
Verstehen Sie uns nicht falsch! In vielen Fällen ist es aus diversen Gründen durchaus sinnvoll überholte und veraltete Systeme auszutauschen. Dies ist jedoch nicht in jedem Unternehmen von Nutzen und es kann gute Gründe geben auch einfach „Nein“ zu einer Transformation zu sagen.
Sie mögen sich jetzt fragen, ob Ihnen dann gar keine anderen Optionen neben der Umstellung der Systeme und dem „passiv bleiben“ zur Verfügung stehen? Doch – auch Organisationen, die sich vorerst gegen eine komplette Umstellung entscheiden, können an ihrem System arbeiten. Welche Alternativen gibt es also konkret?
Nicht selten erleben wir, dass Unternehmen bei Weitem nicht ihr volles Potential ausschöpfen. Dies beginnt bereits bei der Einstellung und Einarbeitung aber auch in der Weiterentwicklung der Mitarbeitenden. Häufig ist den Angestellten gar nicht komplett klar, was eigentlich ihre Aufgaben sind. Dann sind Rollendefinitionen schwammig, Stellenbeschreibungen unklar und Verantwortlichkeiten verschoben – oder es fühlt sich einfach niemand für die Aufgaben zuständig. Ein Produktivitätsverlust und überflüssige Reibungsverluste sind die Folge.
Hierbei kann es helfen, das Organisationsdesign zu überdenken, geeignete Schulungen und Weiterbildungsmöglichkeiten anzubieten und mit einem guten Change-Management zu unterstützen. Dieses ist auch dann hilfreich, wenn Sie nicht mit großen Transformationen zu tun haben. Bereits kleinere, interne Umstellungen können zu Widerständen und Unruhe führen, auch wenn dies natürlich bei großen Veränderungen deutlich stärker und häufiger geschieht. Gezielte, transparente Kommunikation unterstützt immer das Verständnis und die Motivation Ihrer Mitarbeitenden hinsichtlich eines Veränderungsvorhabens – egal wie groß es ist.
Neben dem Menschen im System können Sie jedoch auch das System als solches überdenken. Fast immer gibt es vermeidbare, zeitfressende manuelle Arbeiten, die sich mittlerweile leicht anders und schneller erledigen ließen. Auch umständliche Workarounds und ineffiziente oder tradierte Prozesse sollten erkannt und verbessert werden. Diese Dinge können neue Systeme oftmals auffangen und ausgleichen – jedoch ist dies häufig gar nicht zwingend nötig.
In den meisten bereits bestehenden Systemen schlummern, wie vorhin kurz angerissen, noch ungenutzte Funktionen und Möglichkeiten, die vor langer Zeit eingekauft wurden und nun „im Regal“ auf ihren Einsatz warten. In der Regel müssen hierzu zwar Mitarbeitende ein wenig geschult und eingewiesen werden, dies ist jedoch selten ein großes Unterfangen. In manchen Fällen kann auch der punktuelle Einsatz neuer Software von Nutzen sein. Beispielweise, wenn es einen oder mehrere Prozesse gibt, die mit einem neuen Feature im System noch flüssiger oder einfacher ablaufen können. Statt mit einem Mal das ganze System über den Haufen zu werfen ist es nicht nur im Hinblick auf die Motivation der Mitarbeitenden, sondern insbesondere im Hinblick auf die Kosten sinnvoll, kleine und dafür skalierbare Einheiten zu implementieren. Selbstverständlich erst, nachdem das bestehende System auf Lösungsmöglichkeiten untersucht wurde und weiterhin ein Problem besteht.
Sie sehen: Neben dem komplett-Austausches eines Kernsystems gibt es noch viele weitere Möglichkeiten, die berücksichtigt werden können. Und nicht immer ist eine gängige Lösung auch die Lösung, die individuell für Ihr Unternehmen die richtige ist.
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