„Girl Boss, Female Leader oder Business Frau – diese Bezeichnungen finden sich immer wieder, nicht zuletzt in den Sozialen Medien.”
Bitte nicht falsch verstehen: grandega möchte an dieser Stelle nicht an so heiß diskutierte Themen wie die Frauenquote oder den Feminismus anknüpfen. Derartige Debatten gibt es schon seit Jahrzehnten und nehmen die Emotionen aller Geschlechter bereits genug in Anspruch.
Nein, uns geht es vielmehr um die spannende Frage: Führen Frauen tatsächlich anders, als Männer?
Wir stellen diese Frage nicht, weil wir am heutigen Weltfrauentag die Lager weiter spalten möchten. Ganz im Gegenteil, dahinter steckt vielmehr der Wunsch, ein neutrales Stimmungsbild zu zeichnen und für mehr Gleichgewicht zu sorgen.
Denn der eigentliche Punkt ist doch: Braucht Führung überhaupt ein Geschlecht?
Oder ist es nicht langsam mal an der Zeit, antiquierte Rollenbilder abzulegen und sich auf das zu konzentrieren, was wirklich zählt? (Spoiler: es hat nichts mit X und Y Chromosomen zu tun.)
Female Leadership – Was ist anders bei Frauen in Führungspositionen?
Schon die Existenz von Begriffen wie Female Leadership bzw. weibliche Führung zeigt sehr deutlich, wo wir als Gesellschaft stehen. Statt allgemein und inklusiv über mögliche Führungsqualitäten und -methoden für alle zu sprechen, unterscheiden wir zwei Konzepte.
Leadership als die vermeintlich männliche Domäne und Female Leadership, dem tendenziell weibliche Eigenschaften zugeordnet werden.
Da drängt sich an erster Stelle natürlich die Frage auf, warum es derlei Unterscheidung nach dem Geschlecht überhaupt noch gibt. Schließlich sind die Zeiten, in denen Frauen ihre Ehemänner um Erlaubnis bitten mussten, wenn sie arbeiten wollten, längst vorbei.
Wir leben heutzutage in einer modernen Welt, in der beide Geschlechter dieselben Bildungswege einschlagen, arbeiten gehen und Karriere machen können.
Gleiche Chancen für alle, nicht wahr? Nun, die Statistiken zeigen etwas anderes.
Im Jahr 2020 hielten Frauen 28% der landesweiten Führungspositionen inne. Der EU-Durchschnitt lag bei 34%, während Länder wie Schweden oder Polen es auf über 40% Frauenquote in den Chefetagen brachten.
Im Jahr 2021 lag der Frauenanteil in den Vorständen der 100 bzw. 200 größten Unternehmen Deutschlands bei gerade einmal 16,4%.
Dabei sei erwähnt, dass das statistische Verhältnis beider Geschlechter relativ ausgeglichen ist. 2020 waren von den Einwohnern im Alter von 30 bis 40 Jahren 48,8% Frauen und 51,2% Männer.
Das zeigt: Die Unterrepräsentation von Frauen in der Leitung von Unternehmen ist nach wie vor ein sehr aktueller und realer Fakt.
Und das, obwohl das Gleichberechtigungsgesetz vor über 60 Jahren verabschiedet wurde.
Warum die Unterscheidung zwischen Männern und Frauen in Führungspositionen
Aber woran liegt es, dass Frauen in Führungspositionen offenbar doch nicht die gleichen Voraussetzungen haben, wie Männer?
Die Antworten auf diese Frage füllen schon seit Langem Bücher, Hörsäle und TV-Formate. Es ist schlichtweg ein Ungleichgewicht zwischen den Geschlechtern. Eine historisch so lange gewachsene Unterscheidung von Attributen, Fähigkeiten und sozialen Rollen, dass sie sich in einem halben Jahrhundert nicht einfach umkehren lässt.
Dass Männer und Frauen grundsätzlich sehr verschieden sein können, wissen wir nicht erst seit Mario Barth zu diesem Thema Stadien gefüllt hat. Hinzu kommen allerdings strukturelle Rahmenbedingungen, die bei den beruflichen Möglichkeiten beider Geschlechter keine Chancengleichheit zulassen:
- Frauen fallen bei einem Kinderwunsch im Job länger aus und stellen dafür oft Karrierepläne zurück.
- Frauen tragen eine Doppelbelastung, wenn sie Familie und Beruf miteinander vereinen wollen. Frauen sind in Politik und Entscheidungsgremien nicht stark genug vertreten, um die nötigen strukturellen Veränderungen herbeizuführen.
- Frauen fehlt es an Vorbildern, Mentoren und geeigneten Netzwerken, um sie zu fördern und zu motivieren.
- Frauen entscheiden sich häufig für Branchen, in denen der Frauenanteil bereits hoch ist und/oder niedrige Aufstiegschancen bestehen.
Es stimmt, dass Politik und Gesellschaft bereits seit Jahren aktiv dazu beitragen, diese Faktoren weiter aufzuweichen. Zum Beispiel durch eine gesetzlich festgelegte Frauenquote und ein vereinfachtes Steuermodell, das für Frauen den beruflichen Werdegang leichter gestaltet.
Auch die Unternehmen selbst können mit Maßnahmen wie flexibleren Arbeitsmodellen, Homeoffice-Regelungen und nichthierarchischen Karrieremodellen dazu beitragen, dass mehr Frauen Beruf und Familie vereinbaren sowie in Führungspositionen aufsteigen können.
Der wohl größte Schritt steht uns allen als Gesellschaft aber noch bevor: wir brauchen ein neues Mindset. Eine Weltanschauung, in der Frauen in leitenden Stellen genauso selbstverständlich und kompetent wahrgenommen werden, wie Männer. Davon sind wir allerdings leider noch weit entfernt.
Das Schubladendenken spielt nach wie vor eine große Rolle
Es gibt noch einen weiteren Faktor, warum wir als Gesellschaft zwischen männlicher und weiblicher Führung unterscheiden. Einer, der bei dieser Diskussion eine entscheidende Rolle spielt und dennoch gern bei öffentlichen Debatten nonchalant zurückgewiesen wird:
Stereotype über die Eigenschaften, Fähigkeiten und Qualitäten von Männern und Frauen.
Männer sind hierbei seit jeher das starke Geschlecht. Entschlossene, selbstbewusste Entscheider mit Tunnelblick.
Frauen werden hingegen Attribute wie Empathie, emotionale Intelligenz und Besonnenheit zugeschrieben. Eigenschaften, die zu Zeiten, in denen Männer als einzige Ernährer der Familie galten, gern als schwach belächelt wurden.
Aber auch wenn es sich die letzten Verfechter der dominanten Männergesellschaft immer noch nicht eingestehen wollen, der Zeitgeist ist heutzutage ein anderer. Es ist der Moment gekommen, antiquierte Stereotype wirklich kritisch zu hinterfragen und ein System zu schaffen, dass wirklich alle inkludiert.
Braucht Führung ein Geschlecht?
Kennen Sie den schon?
„Wenn Frauen die Welt regieren würden, gäbe es keine Kriege. Nur ein paar eifersüchtige Länder, die nicht miteinander reden.”
Dieser Witz ist ein anschauliches Beispiel für die Rolle, die Frauen in Führungspositionen auch heute noch gern zugeschrieben wird. Dabei könnte diese nicht weiter von der Realität entfernt sein.
Nichtsdestotrotz unterstreicht es den Showdown der zwei Ansätze, der im Geschäftsalltag regelmäßig ausgefochten wird: Male Leadership vs. Female Leadership.
Male Leadership steht dabei für das klassische Verständnis von Führung. Es wird traditionell mit Qualitäten wie Integrität, Kommunikationsfähigkeit, Entschiedenheit und Durchsetzungsvermögen assoziiert. Allesamt Fähigkeiten, die man stereotypisch Männern nachsagt.
“Männliche Führung wird traditionell mit Qualitäten wie Integrität, Kommunikationsfähigkeit, Entschiedenheit und Durchsetzungsvermögen assoziiert.“
Female Leadership Konzepte betonen hingegen die Tatsache, dass Frauen genauso über diese Eigenschaften verfügen können. Vielmehr noch kann der Einsatz „typisch weiblicher” Potenziale wie beispielsweise Umsicht und Einfühlungsvermögen in Chefetagen von großem Vorteil sein.
Glaubt man diversen Studien, so verfügen Frauen in leitenden Positionen nicht nur über ähnliche, sondern mitunter sogar bessere Führungskompetenzen, als ihre männlichen Kollegen.
Das liegt unter anderem daran, dass weibliche Entscheidungsträger den Schwerpunkt ihrer Arbeit eher bei der Mitarbeiterorientierung legen und folglich Werte wie Empathie, Teambindung und Fürsorge schätzen.
Dass Frauen also per se schlechtere Führungskräfte sind, ist ein binäres Gerücht, dass sich viel zu lange in unserer Gesellschaft gehalten hat. Fasst man die Ergebnisse gängiger Studien zusammen, so lassen sich zwischen dem männlichen und weiblichen Führungsstil nur verhältnismäßig geringe Unterschiede feststellen.
Führung braucht also kein Geschlecht. Sie braucht soziale und fachliche Kompetenzen, die von Frauen wie Männern gleichermaßen erworben werden können. Genauso bedarf es eines geeigneten Führungsstils. Auch der wird nicht am Geschlecht ausgerichtet, sondern an Faktoren wie der individuellen Situation des Unternehmens, dessen Strukturen, Workflows und Personal.
Der wahre Unterschied eines erfolgreichen Leaderships liegt also nicht darin, ob die leitende Position mit einem Mann oder einer Frau besetzt ist. Für Mitarbeiter und Partner ist es letztlich ohnehin einerlei, ob sie eine schlechte Führungskraft eher auf den Mars oder die Venus schießen. Was zählen sollte, ist die Leistung.